Vor gut vier Monaten am 31. März wurden Sie an die Spitze der Synode gewählt. Wie war das?

Preidel: Auf die Nominierung war ich mit dieser Eindeutigkeit nicht vorbereitet, die Wahl selbst und das ganze Prozedere liefen aber sehr gut ab. Vor allem habe ich mich gefreut, dass noch eine andere, sehr qualifizierte Frau kandidiert hat, was auch das ausgewogene Ergebnis widergespiegelt und honoriert hat. Am Abend bin ich - trotz vieler Fragezeichen - gut eingeschlafen. Denn ich war überzeugt, dass wir drei vom Präsidium als gutes Team die sicherlich nicht einfachen Aufgaben bewältigen werden.

Bodenstab: Die Nacht vor der Wahl habe ich schlecht geschlafen, weil ich vorher mit meiner Frau gesprochen habe, dass ich mir ein Präsidiumsamt nicht ernsthaft vorstellen kann. Am Sonntagabend sah es dann ganz anders aus. Ich habe mich über das gute Ergebnis gefreut.

Neu ist, dass eine Naturwissenschaftlerin die Synode leitet.

Preidel: Zuerst einmal grundsätzlich: Naturwissenschaften - in meinem Fall Biologie - und Glaube schließen sich nicht aus. Lange habe ich sogar geschwankt zwischen dem Studium der Biologie und der Theologie. Beide Bereiche sind ein Paar, das ich immer zusammen gedacht habe. Ich bin in einer bewusst protestantischen Familie aufgewachsen, meine religiöse Sozialisation wurde stark geprägt von den Großmüttern. Vor allem die biblischen Geschichten haben einen nachhaltigen Eindruck auf mich gemacht. In der Synode arbeite ich schon lange im Unterausschuss Bioethik mit, wichtig ist mir aber vor allem ein »diakonischer Blick« auf Kirche und Gesellschaft. Deshalb liegen mir auch die Projekte des Programms f.i.t. (»fördern, initiativ werden, teilhaben«), die in Kooperation von Diakonie und Gemeinde organisiert werden, so sehr am Herzen.

Wird es in der Synode jetzt deutliche Positionen zu Themen wie Gentechnik oder Sterbehilfe geben?

Preidel: Fertige Antworten bei diesen schwierigen Fragen wird und kann die Synode nicht geben. Unsere Aufgabe ist vielmehr, Orientierungshilfen und Ratgeber zu formulieren und Begriffe zu erklären. Also nicht von oben zu verordnen, sondern von einem christlichen Standpunkt aus Hilfen anzubieten, einen eigenen Standort zu finden. Das ist für mich gut protestantisch.       

Was kann die Synode tun, damit die Öffentlichkeit sie stärker wahrnimmt?

Bodenstab: Die Beobachtung ist sicherlich nicht falsch, dass die öffentliche Wahrnehmung der Synode ausbaufähig ist. Damit hat sich die Synode selbst schon immer wieder befasst. Ein Problem ist die zeitliche Struktur: Die Beratungen beginnen mit dem Bischofsbericht, dann kommt die Pressekonferenz, danach verschwindet die Synode mehr oder weniger in der Versenkung. Eine Lösung könnte eine eigene Pressekonferenz des Präsidiums sein, wobei ich unsere erste gemeinsame mit dem Landesbischof als sehr partnerschaftlich erlebt habe. Bei allen Überlegungen kommen wir um die Realität nicht herum, dass der Landesbischof in der Öffentlichkeit für die Kirche steht - gerade in einem katholisch geprägten Umfeld. In der Diaspora, aus der ich komme, ist jedenfalls kaum bekannt, was eine evangelische Synode ist und tut.

Von Ihren Vorgängern haben Sie die Diskussion um die Zusammensetzung der Synode übernommen.

Bodenstab: Auch diese Diskussion ist nicht direkt neu, weil sich in der Synode über die Jahre die Struktur verändert hat. Denn immer mehr Hauptamtliche sind auf dem Ticket der »Nichtordinierten«, also der Ehrenamtlichen, unterwegs. Für die Synode ist aber unabdingbar, dass die Ehrenamtlichen weiterhin die Zwei-Drittel-Mehrheit stellen. Denkbar wäre, dass diese hauptamtlich in der Kirche beschäftigten Synodalen dem Kontingent der Pfarrer und Dekane zugeschlagen werden. Die Dekane müssen aber weiterhin Stimme und Sitz in der Synode haben, weil sie ja häufig die Beschlüsse in die Praxis umsetzen müssen.

Die Stellung der Jugenddelegierten scheint auch ein Dauerthema zu sein.

Bodenstab: Um der Jugend mehr Gewicht zu geben, haben wir inzwischen drei Jugendvertreter, allerdings ohne Stimmrecht. Man könnte das natürlich auch anders machen.

Preidel: Es gibt auch die Möglichkeit, dass sich Jugenddelegierte direkt in die Synode wählen lassen. Das Präsidium wird jedenfalls dafür Sorge tragen, dass die Jugendlichen und ihre Anliegen Gehör finden - mit oder ohne Stimmrecht.

Gleich zu Beginn der Synodalperiode haben Sie ein gewichtiges Thema angestoßen: Die Barmer Erklärung soll in die Kirchenverfassung aufgenommen werden. Kann das auch zu einer Überforderung der Gemeinden führen?

Preidel: Ich habe noch nicht die Sorge der Gemeinden gehört, dass ihnen etwas übergestülpt werden soll. Im Gegenteil: Gerade die Kirchenvorstände haben den Wunsch, dass neben Verwaltung, Organisation und Finanzen die theologische Diskussion nicht zu kurz kommt. Genau die haben wir jetzt angestoßen. Der Start in die Diskussion ist mit dem Studientag im landeskirchlichen Archiv in Nürnberg gut gelungen. In einem offenen Prozess beschäftigen sich auch Landeskirchenrat und Synodalausschuss damit, und bei der nächsten Tagung soll ein gemischter Ausschuss gebildet werden.

Neben inhaltlichen Fragen muss sich die Synode auch mit dem Haushalt beschäftigen - bei zurückgehender Finanzkraft.

Preidel: Die Kirche muss so verfahren wie jeder vernünftige Privathaushalt auch, also nur so viel Geld sinnvoll ausgeben wie tatsächlich da ist. Deshalb muss unsere Leitlinie sein, maßzuhalten, und den aktuellen Haushalt sowie die zukünftigen Belastungen gut zu planen.

Also in Zukunft klare Prioritätensetzung statt Gießkanne?

Bodenstab: Noch haben wir mehr Geld als erwartet. Weil sich das aber ändern wird, muss die Synode mindestens ein Bein an der Bremse haben. Alles was jetzt mit Füllhornmentalität auf den Weg gebracht wird, kann in den nächsten Jahren zur langfristigen Belastung werden. Unsere Aufgabe ist, in einem transparenten Verfahren einen gerechten Ausgleich einzelner Interessen und Regionen zu schaffen. Ein Vorbild dafür ist für mich die Landesstellenplanung von 2010, die fair, transparent und partizipativ abgelaufen ist.

Preidel: Die Zeiten eines Wunschkonzerts müssen vorbei sein. Bei jeder Ausgabe, zum Beispiel für Projektstellen, muss klar definiert sein, wofür das Geld verwendet wird, was das Konzept der Stelle ist und wie lange diese Stelle aufrechterhalten werden soll. Es ist dann die unbedingt nötige Hausaufgabe des Landeskirchenrats, in den Vorlagen einen klaren Projektrahmen zu erarbeiten, der genau diese Kriterien erfüllt.

Neben schwindenden Finanzen macht der Kirche auch der Mitgliederschwund zu schaffen. Sollte deshalb mehr in Mitgliederbindung investiert werden?

Bodenstab: Da bin ich grundsätzlich skeptisch, denn Mitgliederbindung heißt doch alles und nichts. Und allein über Geld geht das schon gleich gar nicht. Die Bewilligung von drei Millionen Euro pauschal für die Mitgliederbindung war gewiss keine Sternstunde der Synode. Denn das Geld wurde oft ohne konkrete Projektbeschreibungen oder Erfolgskriterien wiederum nach dem Gießkannensystem vergeben.

Preidel: Das ist für mich geradezu ein Reizthema, bei dem ich allergisch reagiere. Das mag für Vereine oder Organisationen zutreffen, aber nicht für uns als Kirche. Unsere Aufgabe muss es doch sein, die Menschen mit der biblischen Botschaft zu erreichen und sie nicht als Mitglieder an eine Institution Kirche binden zu wollen. Gut fand ich deshalb, dass im Kirchenkreis Nürnberg das Projekt »Mitgliederbindung« in »gerne evangelisch« umbenannt wurde und die Gemeinden mit den zusätzlichen Mitteln neue Dinge ausprobieren konnten. In meiner Gemeinde wurden Orff-Instrumente angeschafft, es bildete sich eine Kindergruppe, die sich seitdem regelmäßig trifft und Gottesdienste musikalisch mitgestaltet.

Dann sehen Sie die Aufforderung, Kirche muss in ihren Mitgliedern vor allem »Kunden« sehen, kritisch?

Preidel: Über diese Sichtweise habe ich mich schon immer gewundert. Die Kirche ist doch gerade kein Wirtschaftsunternehmen, das nach derartigen Prinzipien arbeitet. Wir dürfen uns deshalb auch nicht am Konsumansatz orientieren, sondern müssen die Menschen mit Inhalten ansprechen und sie beteiligen. Außerdem stammt dieser Kundenansatz aus dem EKD-Konzept der »Kirche der Freiheit«, das längst nicht mehr aktuell ist.

Wie kann die Kirche Menschen anders erreichen und an sich binden?

Bodenstab: Vor allem müssen wir deutlich machen, dass das, wofür wir stehen, zeitlos ist. Dafür müssen wir in Kauf nehmen, auch einmal nicht »modern« zu sein. Außerdem müssen wir möglichst früh anfangen, die Bedeutung des christlichen Glaubens für jeden Einzelnen herauszustellen.

Preidel: Das sehe ich genauso. So früh wie möglich müssen wir die Schönheit der Gottesdienste vermitteln. Eine große Bedeutung kommt einem attraktiven Kindergottesdienst zu. Der Erzählfaden der wunderbaren biblischen Geschichten darf nicht abreißen. Außerdem müssen wir uns bemühen, die Familien gut einzubinden, zum Beispiel mit Projekten für Konfirmandeneltern. Entscheidend für die Zukunft der Kirche ist der persönliche Kontakt - vor allem ganz niederschwellig in den Kirchengemeinden, also das Gespräch nach dem Gottesdienst oder beim Kirchencafé. Statt großmächtiger Konzepte brauchen wir echte und lebendige personale Kommunikation - von Mensch zu Mensch.