Alle Zahnräder müssen im Leben des Fabian Meissner reibungslos ineinandergreifen. Jetzt aber hakt gerade eines dieser Rädchen. Der Aufzug hat im fünften Stock gehalten, Meissner in seinem Elektrorollstuhl steht davor, aber die Türen öffnen sich nicht.

Normalerweise gehen Türen für den 29-Jährigen auf. Der Politikwissenschaftler hat nach dem Studium an der Universität Regensburg seit drei Jahren ein Büro in besagter fünfter Etage. Er ist im Haus »eckstein« in Nürnberg Referent für Freiwillige Soziale Dienste in Nordbayern. Eine Aufgabe, die zur Evangelischen Jugendsozialarbeit (EJSA) gehört. Im vergangenen Jahr ist Meissner SPD-Ortsvorsitzender im Nürnberger Stadtteil Lichtenhof geworden. Bei der kommenden Kommunalwahl will er, der sich im linken Flügel der Partei verortet, in den Stadtrat.

Dafür macht der junge Mann mit dem vollbärtigen runden Gesicht und der modischen Brille Wahlkampf. Mit den Genossen hat er schon überlegt, ob der Ratssaal für ihn barrierefrei ist. Als Kandidat für die Landessynode hat er gar nicht laut getrommelt. Umso überraschter war er, als er gewählt wurde, auch wenn er als langjähriger Jugendleiter und ehemaliges Mitglied der Dekanatsjugendkammer vielen Protestanten in Nürnberg bekannt ist. Im Frühjahr 2014 wird Meissner zum ersten Mal als gewählter Landessynodaler an einer Sitzung des Kirchenparlaments teilnehmen. Ganz genau wisse er ja nicht, was da auf ihn zukomme, sagt er, »ich kann das ganz schwer einschätzen«.

Mit dem Rollstuhl zur Party

»Ich freue mich, mein Gesicht da einzubringen«, erklärt der neue Landessynodale. Aber, stellt er klar, als Vertreter der evangelischen Jugend Nürnberg sitze er nicht in dem Gremium. Und für die Behindertenarbeit will er ebenfalls nicht automatisch vereinnahmt werden.

»Die Zeiten, in denen Menschen aus eigener Betroffenheit Behindertenpolitik machten, sind vorbei«, wehrt er sich gegen Schubladen. Heute gehe es darum, hinter Strukturen zu blicken. »Sind wir denn in der Kirche wirklich offen für Menschen mit egal welchen Einschränkungen?« Solche Fragen möchte er einbringen. Die Flüchtlingsarbeit liegt ihm am Herzen. Beim Thema Bildung könnte er sich auch vorstellen, dass er etwas einzubringen hat.

Für die Eltern des inzwischen selbstständigen jungen Mannes wäre es nie in Frage gekommen, den einzigen Sohn in ein Internat für Körperbehinderte zu geben. »Der hat ja nichts am Kopf« - so sahen das die gebürtigen Wilhelmshavener, die seit drei Jahrzehnten in Franken leben. Fabian, der an fortschreitender spinaler Muskelatrophie leidet, ging überall dorthin, wo auch die Nachbarskinder lernten: in den Kindergarten, in die Grundschule.

Ein barrierefreies kommunales Gymnasium fand sich nicht, deshalb absolvierte Meissner sein Abitur an der Wilhelm-Löhe-Schule, einer evangelischen Privatschule in Nürnberg. Auch als Jugendlicher war Fabian überall mit dabei. Seine Kumpels hätten den Rollstuhl zu einer Party auch in den dritten Stock getragen. »Darauf habe ich aber nicht bestanden, ich wäre auch mal zu Hause geblieben«, sagt er.

Landessynode muss barrierefrei werden

Für Freunde und Eltern ist die Behinderung Fabians kein Problem. Das Leben wurde und wird »so normal wie möglich gestaltet«, ist Meissner ihnen dankbar. Das hat ihm seine positive Sicht auf die Welt ermöglicht.

Meissner ist Pragmatiker, aber egal ist es ihm nicht, mit welchen Tabus die Begriffe rund um das Thema Behinderung gerade belegt sind. Dass Sonderschulen in Förderzentren umbenannt wurden, findet er richtig. Dass behinderte Menschen heute oft als »Menschen mit besonderen Fähigkeiten« bezeichnet werden, hält er für bedenklich. »Damit grenze ich doch genauso wieder aus.«

Der beliebte Aufkleber »integriert« passt wiederum sehr schlecht auf Fabian Meissner. Denn er ist ziemlich selbstverständlich mittendrin dabei. Dafür nimmt er natürlich Hilfe in Anspruch. Assistenten begleiten ihn 24 Stunden am Tag.

An diese jungen Männer muss in Zukunft auch das Büro der evangelischen Landessynode denken, wenn sie die Treffen der Synodalen vorbereitet. Tagungsräume, zu denen zehn Stufen hinaufführen, kann Meissner aber auch mit deren Hilfe nicht meistern. »Ich bin gespannt«, sagt Meissner, klingt aber relaxt, wenn er an das erste Vortreffen der Synodalen im Schloss Tutzing denkt.

Bleibt aber noch das Problem mit dem Lift: Seine Tür will sich immer noch nicht aufschieben. Assistent Alex hat den Hausmeister aufgetrieben. Der will helfen und in einer halben Stunde kommen. Fabian Meissner ist auch gewöhnt, dass sein Leben etwas langsamer läuft. Aber zum Ziel kommt er.